God is one. Life is one. Trying to live a meaningful one.
Ein merkwürdiger Start
Ein merkwürdiger Start

Ein merkwürdiger Start

Am heutigen dritten Tag nach dem dritten Monat im Jahre 2020 stelle ich nachdenklich fest: Bis jetzt war’s ein merkwürdiger Start ins dritte Jahrzehnt des dritten Jahrtausends nach Christus.


“Der Mensch redet davon, dass der Teufel im Detail steckt. Doch das stimmt nicht.”


Persönlich war da erstmal meine Rückkehr aus dem Sabbatical. Diese Unterbrechung hat mich verändert. Die Welt ist zwar noch die alte, sieht mit veränderten Augen dennoch ganz anders aus. Ich kann und will nicht anknüpfen, wo ich vor dem Sabbatical aufhörte, denn mein Optimismus war etwas zu groß, ich hatte mich ein wenig zu sehr dafür eingesetzt, dass mehr Menschen sich für Gott interessieren, ihr Leben hinterfragen, Veränderung zulassen.

Vermutlich hatte ich mich selbst zu wichtig genommen, in Wahrheit ist mein eigenes Leben so klein wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Das akzeptiere ich wohl, doch das Wichtigste ist und bleibt, Gott von ganzem Herzen und allem Verstand zu lieben und seinen Nächsten wie sich selbst. Das will ich gerne tun – und beten und hoffen, dass Gott sich meine kleinen Liebesopfer gefallen lässt. Ansonsten will ich aber nicht mehr davon ausgehen, dass ich die Welt durch meinen Einsatz retten könnte. Warum will ich mich bis an mein Lebensende daran aufreiben, dass der Mensch, vor allem der westliche, nun mal besonders bequem, arrogant und selbstverliebt ist? Ich sollte auch das akzeptieren lernen es einfach so stehenlassen, und mich stattdessen darauf konzentrieren, im Kleinen treu zu sein und mich selbstlos in Liebe zu üben. Hatte Jesus nicht gesagt, dass nur wer suchet, der findet? Der Mensch redet zwar davon, dass der Teufel im Detail steckt, aber das stimmt ganz und gar nicht, in Wahrheit strebt der Teufel das Riesige an, die Megaversammlung bis hin zur Weltherrschaft. Gott hingegen ist nur im Kleinen zu finden, er versteckt sich im leisen Flüstern und vergräbt sich in irgendeinem Acker, wo er sich nur nur durch harte Arbeit finden lässt. Wie oft verbietet Jesus den Geheilten, von Gottes großen Taten zu berichten? Und warum gebietet er, keine Perlen vor die Säue zu werfen? Ich werde meine Perlen künftig auch nur noch im Detail verstecken. Soll die arrogante Welt doch ganz bequem zur Hölle fahren.


“Solche Äußerungen stehen nicht ganz oben auf der Liste gesuchter Eigenschaften für Missionsdirektoren.”


Ich gebe zu, solche Einstellungen stehen nicht ganz oben auf der Liste gesuchter Eigenschaften für Missionsdirektoren. Entsprechend kam ich mir in den ersten drei Postsabbaticalmonaten vor wie ein Puzzelsteinchen, das sich amöbenmäßig etwas verändert hat und nicht mehr in seine alte Lücke passen mag.

Paradoxerweise hat Gott mich ausgerechnet im Januar zum kursverantwortlichen Lehrer im Fache Missionswissenschaft berufen, ein Kurs, der ganze drei Monate lief und mich voll und ganz mit Beschlag belegte: Missionsbefehl, Missionstheologie, Missionsgeschichte, die ganze Litanei, und die zumeist jungen Studenten erwarten einen glühenden Lehrer, der so heiß für Mission und Kontextualisierung, Bekehrungsgeschichten und Erweckungen brennt, dass man sich am Besten Woche für Woche an ihm aufheizt. Ich gebe zu, dass ich selten so viel Literatur in so kurzer Zeit durchgearbeitet habe und entsprechend viel gelernt habe und mich inspirieren ließ, doch wie brennend ich war, lasse ich lieber meine Studenten beurteilen.


“Kein Missionar hätte das auf so dramatische Weise erreichen können.”


Heiß wurde hingegen völlig unerwartet etwas ganz anderes während jener drei Monate, nämlich das Fieber vieler der mittlerweile über 1 Million Coronainfizierter. Den Wirtschaftsweisen wird es sogar völlig ohne Fieber ganz heiß, denn sie wissen nicht, wann der wirtschaftliche Schaden je wieder gerichtet werden wird. Fast ist es so, als hätte jemand den Stecker gezogen und die ganze Maschine steht still. Auf einmal haben wir alle Veränderungen, die ich so lange schon so gerne gesehen hätte: ein einfaches Leben, Gemeinschaft zu Hause, bröckelnde Schminke der Profilbildfassaden, ein Fragezeichen am Wirtschaftsfundamentalismus, Fasten ohne Ende. Kein einziger Missionar hätte das auf so dramatische Weise erreichen können. Danken darf ich hierfür als Veganer ausgerechnet den Fleischverzehrern, die sich von Fledermäusen ausgehend über ein paar schuppige Umwege mit Sars-Cov-2 anstecken ließen, und wie die WHO schon geäußert hat, ist Covid-19 nur eine anfängliche Übung. Solange der Mensch weiter Fleisch verzehrt, wird Sars-Cov-3, -4 oder -X nicht lange auf sich warten lassen. Viele Übungen und Proben sind immer gut, bevor dann irgendwann die richtig große Aufführung kommt, der Klimakollaps, wo es dann nicht nur richtig zur Sache gehen wird, sondern einige von uns auf der Bühne jenes Improvisationstheaters geben wird, die ihre Häupter erhoben haben und halten werden, weil sie zuvor in den richtigen Äckern nach Perlen gruben und nun endlich größere Schätze erwarten als rostiges Mammon.


“Plötzlich entdeckt man gerne die Geheimnisse der Tiefe.”


Doch damit nicht alles. Jetzt, plötzlich, nicht etwa wegen hochgezüchteter Gemeindeprogramme, sondern wegen eines Virus, lassen sich solche in Gottesdienste einladen, freilich nur online, die sonst aber nie auf solche Ideen gekommen wären. Nach all den Jahren bin ich jetzt so platt wie eine Flunder. Wenn ich die Tiefe meiner Gespräche der letzten Wochen addiere, dann käme ich sicher bis zum Mittelpunkt der Erde, und das ist deutlich weiter als die Gesprächssumme eines ganzen Jahrzehnts davor. In der Regel erleben mich viele Menschen nämlich als “tief”, das ist ein Synonym für “anstrengend”, deshalb stellte man vor Covid-19 gerne sicher, dass man lieber schnell mit mir redet, das macht das Surfen an der Oberfläche leichter. Ein auftauchendes U-Boot wie mich ist da eher störend, gar angsteinflößend. Doch jetzt plötzlich ist die See ziemlich ungemütlich, und da entdeckt man gerne die Geheimnisse der Tiefe.

Ganze drei Monate habe ich nichts auf einem meiner Blogs geschrieben, und dass es ausgerechnet ein so merkwürdiger Start wie dieser Text werden würde, hätte ich am Neujahrstag nicht im Entferntesten erwartet. Ich bin gespannt auf die nächsten Akte.