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Man lernt eben täglich dazu, juchuh, wie Reinhard Mey schon sang. Denn so hatten wir uns das wirklich nicht vorgestellt! Diesen Sommer ging VanMoof pleite, der Hersteller unserer fast neuen Fahrräder. Doch weil das eben nicht nur Fahrräder, sondern “die iPhones unter den Bikes” waren, wie die Süddeutsche Zeitung mal schrieb, standen wir fassungslos vor einem bis dahin unbekannten und schwer begreiflichen Problem: Sollte VanMoofs Konkursverwalter jetzt nämlich deren Server abschalten, würden unsere Räder von einer Sekunde zur nächsten zu Elektronikschrott mit Speichen werden. Das macht… ähm, etwas nachdenklich. Wie verwundbar ist die moderne Gesellschaft? Sollte Elon Musk mit schlechter Laune auch mal seine Server abstellen, rollt in der Welt kein Tesla mehr. Zumindest technisch wäre das denkbar. Die Macht der Firmen könnte sich bald auch auf Kühlschränke und Waschmaschinen ausdehnen. Das kann durchaus Vorteile haben, muss es aber nicht: Die Firma Adobe hat dieses Jahr ein so grottenschlechtes Update seines “Express”-Apps herausgegeben, dass die Nutzer massenhaft flüchten und auch unser Weihnachtsbrief, wenn auch nicht wieder auf Papyrus geschrieben, so aber 2023 doch nur eine einfache Webseite wird.

Jaja, die Software. Die sorgt übrigens dafür, dass man in Schweden gerade besser gar nicht sterben sollte. Jedenfalls nicht, wenn man Mitglied der svenska kyrka, der schwedischen Kirche ist. Die wurde nämlich im November mit einer sogenannten Ransomware gehackt. Seither geht dort gar nichts mehr, weder Drucker noch Beerdigungen. Und das schon seit Wochen. Die Leichenhallen füllen sich hier langsam wieder wie zu Coronazeiten. 2021 wurde die Lebensmittelkette Coop im ganzen Land lahmgelegt. Probleme, die wir früher noch nicht hatten. Zum Thema passt daher, dass wir, also wir eben, Karen und Marcus, 2023 täglich dazulernen, wie man besser seine eigenen Lebensmittel herstellt. Nun bauen wir nicht nur Kräuter und Tomaten an, sondern auch Zwiebeln, Knoblauch, Paprika und Erdbeeren. Mit viel Versuch und noch mehr Irrtum (die Nordmanntannen-Weihnachtsbaumzucht ist kläglich gescheitert), aber immer wieder auch mit Erfolg, wie zum Beispiel hier, beim:

Sauerkraut!

Viel Gemüse, wie zum Beispiel den Weißkohl, bekommen wir von Olle, dem freundlichen Kleinbauern in der Nähe, der uns jedes Jahr einen Anteil seiner kompletten Ernte verkauft.


Das große Highlight des Jahres…

… war natürlich Annas und Nils’ Hochzeit! Ende August gaben sie sich in einem wunderbaren Waldgottesdienst in den schottischen Highlands das Jawort. Marcus hatte die Ehre, predigen zu dürfen. Es folgte ein ebenso wunderbares Fest auf einem rustikalen Hof mit Quartieren, so dass alle von nah und (sehr) fern angereisten Gäste ein ganzes Wochenende mit Brautpaar und einander verbringen konnten. Was für eine tolle Gesellschaft, Gemeinschaft, Feier! Wir freuen uns, nun eine noch viel größere Verwandtschaft in Großbritannien Teil unserer internationalen Familie nennen zu dürfen. Annas Eltern hatten wir schon 2021 kennengelernt, nun durften wir auch mit dem Rest der Sippe Cèilidh tanzen. Der einzige Nachteil ist, dass alle so extrem nett und sympathisch sind und man sich gerne viel öfter träfe, wir alle aber viel zu weit voneinander entfernt leben!

Außerdem gibt es eine Menge wunderbarer Fotos, und wir haben die Erlaubnis, euch einige zu zeigen.

Doch damit nicht genug…

Weil viele Verwandte von Marcus’ Seite nicht nach Schottland reisen konnten, entschied das Brautpaar, auf der Rückreise aus den Flitterwochen in Gummersbach kurzerhand nochmal zu heiraten. Eine Schottenhochzeit kommt dort nicht so oft vor, deshalb interessierte sich sogar die lokale Presse für das schottische Paar mit Bräutigam im Schottenrock samt Dudelsack-Livemusik.

Anna und Nils genießen Leben und Arbeit nun in Inverness.


Und sonst?!

Sonst war 2023 eher entschleunigt. Das bringt wohl auch das autofreie Leben mit sich, wenn man eben nicht mehr schnell mal hier und mal dorthin rasen kann, wenn Einkäufe und Transporte geplant werden müssen – und manchmal zu kreativen Lösungen führen. Die Niederländer waren da schon immer besser.

Tro & Tvivel (= Glaube und Zweifel, unser kreatives Gemeindeprojekt) setzte mit diversen Aktionen und Treffen fort, wie hier zum Beispiel eine Kunstausstellung mit Musik und kreativen Texten zum Thema Leid und Hoffnung am Osterwochenende.

Und ob ihr es glaubt oder nicht, ob ihr uns nun für verrückt haltet oder nicht – doch wir sind Teil eines Ordens geworden! Ja, genau, so was Klösterliches, doch in diesem Fall auch etwas städtisch-Modernes. Marcus hatte ja schon sehr lange die klösterlichen Schweigefreizeiten auf Bjärka-Säby als wohltuendes Gegengewicht zum extrem volatilen Dienst erlebt. Nun, wo es diese Freizeiten leider nicht mehr gibt, bringt

Urban Monastics etwas mehr Struktur ins strukturlose Leben und gibt neben dem Training der eigenen Disziplin obendrein die wunderbare Möglichkeit, ganz neuen, völlig anderen und unerwartet vielen Menschen, die auf der Suche sind, etwas Orientierung anzubieten. Der Orden hat seine Wurzeln in Communitas und passt daher gut zu uns.

Auf dem Esel reiten wir deswegen noch nicht, doch im Vergleich zu früheren Flugreisen mit Goldkarte und Loungebesuch fühlt sich Flixbus trotzdem wie ein ähnlicher Abstieg an. Doch man kann auch Linienbus von Göteborg nach Deutschland fahren, mit Umstieg in Kopenhagen – bei dieser Gelegenheit sollte man der Statue des Inneren Schweinehunds einen Besuch abstatten, den man ja ohnehin immer wieder überwinden muss.

Doch ansonsten sind wir lieber mit dem Rad unterwegs. Selbst bei -10°C. Unsere Grenze geht erst bei Schnee und Glätte. Gott sei Dank hat sich das mit VanMoof geklärt. Die Marke wurde im Herbst von McLaren gekauft. Jetzt radeln wir also Formel-1. Hier z.B. zu einem völlig unbemannten Lebensmittelladen, rund um die Uhr geöffnet. Hoffentlich klappt das mit der Software.

Schon mal von Alvar gehört? Das ist ein ganz besonderer Kalkboden, der nicht oft auf der Welt vorkommt. Doch am Kinnekullen am Vänernsee gibt es ihn. Die Landschaft dort erinnert uns an Narnia, und damit an unsere Himmlische Heimat, deshalb reisen wir dort jeden Mai für ein langes Wochenende hin. Aber auch, weil Bärlauch Kalk liebt und der Mai diesen Landstrich zum Bärlauchparadies werden lässt. Bärlauchbrot und Bärlauchsuppe, Bärlauchspaghetti und Bärlaucher-sonst-noch-was bis zum Abwinken! Übrigens steht diese kleine Hütte dort mit dem Vänernsee im Hintergrund gleich neben einer von Schwedens ältesten Kirchen, weil hier die schwedische Kirchengeschichte ihren Anfang nahm.


Svea hat das Jahr weitestgehend als asiatische Köchin in Schottland verbracht, doch hin und wieder trägt sie gerne mal mit Stolz eine bayerische Flagge – schließlich ist sie ja gebürtige Eichstätterin.

Und im Januar hatten wir die große und außergewöhnliche Freude, Oles und Athenes Leben in Panama kennenzulernen. Wie oben bereits angedeutet, ist eine internationale Familie pures Gold wert – doch man muss weit wandern und hart arbeiten, um zu den ganzen Nuggets zu gelangen.


“Friede auf Erden!” sangen die Engel, singen auch wir in vielen Weihnachtsliedern. Unser Glaube an die ganze Jesusgeschichte von Weihnachten bis Ostern wurde in den letzten zwei Jahrzehnten immer wieder massiv hinterfragt und angezweifelt. Viele sehen Religion als Ursache der Gewalt. Man mag dabei auf religiösen Terror zeigen oder auf Israel und Palästina. Geschichtlich Bewanderte weisen auf die Hugenottenkriege und den 30-jährigen Krieg hin, die zur Aufklärung und damit zur Säkularisierung, zur Abschaffung der Religion führen sollten. Immanuel Kant sah

im religionslosen Europa den “ewigen Frieden” kommen, 1795 veröffentlichte er sein Buch “Zum ewigen Frieden”.
Mir, Marcus, bleibt oft nichts übrig als auf die Tatsache hinzuweisen, dass der Mensch ein sehr komplexes Wesen ist, dass einfache Antworten und simple Propaganda selten gute Lösungen bieten. Obendrein ist es aber auch eine Tatsache, dass die Jahrhunderte nach Kants “ewigem Frieden” zu den tödlichsten und grausamsten der Menschheit wurden! Kants Traum wurde zum Alptraum. Denn wenn der Mensch vor allem an sich selber glaubt, vergisst er bald,

was Demut ist und Unterordnung. Da fällt es mir schwer, an Kant zu glauben, und ich wähle daher, mein Vertrauen auf den Gott zu setzen, der zu Weihnachten selbst ein Vorbild der Demut wurde und uns 30 Jahre nach der Stallgeburt eine Bergpredigt, und damit ein viel besseres Manifest zum wahrhaft ewigen Frieden gab. Denn Immanuel Christus ist der wahre Friedensfürst. Demut ist der wahre Stoff des Friedens. Demut ist aber auch wie Manna, echte Frischware. Man muss sie täglich neu dazulernen. Deshalb muss sich jeder auch täglich neu bekehren.


In diesem Sinne wünschen wir allen ein friedliches Weihnachten 2023.

Karen und Marcus

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