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Foto: I see a bad moon rising…

Gestern wurde die neue Regierung vorgestellt, die das Land nach einem flachen und lächerlichen Wahlkampf am 11. September gewählt hat. Es wurde ein Regierungswechsel, die alte Regierung unter der Sozialdemokratin Magdalena Andersson wurde abgewählt, obwohl sie mit über 30% die meisten Stimmen erhielt. Die neue Koalition besteht aus vier Parteien, den Moderaten (M, 19,1%), den rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD, 20,5%), den Christdemokraten (KD, 5,3%) und den Liberalen (L, 4,6% – die schwedische Hürde in den Reichstag liegt bei 4%). Einige Besonderheiten, die man vielleicht kennen sollte: Die SD haben mehr Stimmen als die M bekommen, niemand wäre aber eine Koalition unter Leitung der SD eingegangen. Die neue Regierung wird deshalb von Ulf Kristersson (M) geleitet. Die SD haben darin noch nicht mal einen Ministerposten erhalten – doch für all das wurden sie kompensiert, indem sie massiven Einfluss auf das aktuelle Regierungsprogramm nehmen durften. Zweitens sollte man wissen, dass die schwedischen Christdemokraten ganz anders sind als die deutsche CDU. KD ist viel, viel kleiner und hat einen freikirchlichen Ursprung, der die Partei bis heute prägt. Sehr viele gläubige Christen im Land glauben, als Christ könne man nur KD wählen, die große Mehrheit des Landes schüttelt aber darüber den Kopf, deswegen bekommen sie auch nur wenige Stimmen. Drittens sind SD und KD sich viel näher, als die meisten glauben würden, deshalb ist die KD auch relativ zufrieden mit den Verhandlungen. Viertens wurden viele Herzensanliegen der L bei den Koalitionsverhandlungen wegen ihres kleinen Anteils in der Regierung zu Gunsten der SD übergangen.

Also: Die offiziellen Politiker werden von M, KD und L gestellt, doch SD bestimmt überall mit. Entsprechend erscheint das neue Regierungsprogramm, als würde das Land in Zukunft von einer geheimen Macht regiert, die unsichtbar im Hintergrund sitzt und weder den Ministerpräsident noch einen einzelnen Minister stellt. Für mich ist das eine gruselige Vorstellung.

Um etwas positives über das Programm zu sagen, so will man massiv gegen die in Schweden grassierende Bandenkriminalität vorgehen. Schweden hat europaweit den mit Abstand größten Anteil an Tötungsdelikten durch Schusswaffenmissbrauch. Die Polizei und bisherige Regierungen haben das einfach nicht in den Griff bekommen – vielleicht besteht hier ja Hoffnung.

Ansonsten scheint der Umgang mit Kriminalität eher ein großer Schritt in die Vergangenheit zu werden: Jetzt kommt der Knüppel aus dem Sack. Härtere Strafen für alle (was teilweise auch berechtigt ist, insbesondere Sexualdelikte wurden in Schweden unverhältnismäßig mild geahndet), aber auch sonst, insbesondere für Jugendliche. Hoffnungsloses Einlochen wird die Strategie werden.

Für die Immigration sieht es nicht besser aus: Härtere Einwanderungsgesetze, strengere Kontrollen überall, größere Hürden bei der Einbürgerung.

Am schlimmsten sieht es für’s Klima und den Planeten aus: Die Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt und der in Schweden so wichtigen Feuchtgebiete wurden komplett gestrichen, die neue Regierung setzt wieder mehr auf fossile Brennstoffe im Transport, der CO2-Ausstoß Schwedens wird sich massiv erhöhen (massiv!) und während in Deutschland über eine wirklich kurze Verlängerung der Laufzeiten von zwei Atommeilern intensiv gestritten wird hat die kommende schwedische Regierung schon beschlossen, gleich mehrere Atomkraftwerke neu zu bauen.

Alles in allem: Eine Schande.

Herr, erbarme Dich!

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marcusis@icloud.com

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